10 Jahre Mitglied im AK
Wir gratulieren unserem Mitglied Dorkas Michaelis-Iske zu 10 Jahren Mitgliedschaft im Autorenkreis.
Für Neuausgaben unserer Anthologien ist Dorkas Michaelis-Iske als Redaktionsmitglied unverzichtbar. Wir wünschen ihr viele neue Inspirationen. Ein kurzer Auszug aus ihrer Novelle „Eine rauhe Nacht“ (s.u.) macht neugierig auf den Schreibstil der Autorin, die ihre Werke unter dem Pseudonym Susanne Michaelis veröffentlicht.
Auszug aus Susanne Michaelis Eine Rauhe Nacht, 2009:
Der Anruf von ihrer Mutter kam am nächsten Abend.
“Es tut mir Leid, Kleines, aber deine Freundin ist gestern im Krankenhaus gestorben. Frau Müller, die aus der Luisenstraße, nicht die aus der Pfingststraße, du weißt, die mit der fürchterlichen Dauerwelle, die wollte Ete gestern im Krankenhaus besuchen, aber sie kam zu spät. Die Ärzte meinten sie wäre einfach zu geschwächt gewesen.” Ich weiß, dachte Helga. Aber sie antwortete mechanisch mit den richtigen Dankesworten. Als sie den Hörer auflegte, fühlte sie sich fast erleichtert. Der letzte, leise und nagende Zweifel konnte jetzt zur Ruhe gebettet werden. Das Schlimmste war eingetreten und nun war es Zeit das Danach anzugehen, auch wenn sie noch nicht wusste, wie das Danach aussehen sollte.
Wie sich herausstellen sollte, war die erste Herausforderung, Herbert nicht an die Gurgel zu springen, als er von der Messe heimkehrte. Mit der Botschaft von Etes Tod begrüßt, strich er seiner Frau kurz über die Haare und meinte dann mit mitleidiger Stimme: “Das tut mir natürlich Leid für dich, Häschen, aber wenigstens hat sie es jetzt ausgestanden. Sie war ja schon ziemlich alt und gebrechlich. Jetzt ist sie bestimmt an einem schöneren Ort.” Und damit war für ihn das Thema erledigt.
Helga atmete ein paar Mal tief durch und ging dann in die Küche, um ihm eine Suppe heiß zu machen. Sie hätte nicht genauer zu sagen vermocht, was für Gefühle ihr durch den Kopf gingen, als sie am Herd stand und sein Essen umrührte. Der Kopf schien leer, über ihren Rücken rannen kalte und heiße Schauer und ganz tief in ihr drinnen schien etwas zu schreien, laut und schrill. Der Schrei blubberte immer wieder in ihr hoch, doch schaffte er es nie über den Kehlkopf hinweg. Dafür ließen die heißen Wellen nach und eine eisige Kälte breitete sich in ihr aus. Teilnahmslos blickte sie auf ihre rührende Hand und dachte an das Glas, in das sie, als sie ihr Brot noch selber gebacken und das Mehl dafür selbst gemahlen hatte, immer das vereinzelt darunter geratene Mutterkorn gesammelt hatte. Es wäre ein Leichtes, diesen schwarzen Pilzknubbel im Mörser zu zerstoßen und damit die Suppe zu würzen. Sie stellte sich vor, wie sie ihr Gesicht ganz nah an das ihres sterbenden Mannes schieben und flüstern würde: “Grüß Ete, wenn du an den schöneren Ort kommst.” Diese Vorstellung bereitete eine fast wohlige Befriedigung. Ob die vier Mutterkörner, die in dem Glas ruhten, dafür ausreichen würden? Und wie würde sie der Polizei erklären, dass ihr Mann an einer Mutterkornvergiftung gestorben war, nachdem er eine Rinderkraftbrühe gegessen hatte? Sie verwarf die Phantasterei als unpraktisch.